Der Anfang vom Ende der Komfortzone
„You are terrified of your own children, since they are natives in a world where you will always be immigrants.“
Aus der „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“
In Zeiten schwindender Bewerbungen, bei gleichzeitig steigenden Anforderungen, reicht das nicht aus. Insbesondere durch die Generation-Y/Millennium, werden andere Maßstäbe gesetzt. Die Bewerber/-innen verlangen, dass ein Unternehmen auch zu ihnen und zum eigenen Lifestyle passt. Darüber hinaus wollen die Leute eine echte Chance zur Weiterentwicklung haben und erwarten Strukturen, die nicht im 70er Style mit Hierarchien und personengebundenen Entscheidungen daherkommen.
Wichtig ist: Je passgenauer mögliche Bonuspakete sind, umso besser werden sie funktionieren. Die berühmte Möhre, die in Form des alljährlich wiederkehrenden Bonus vorgehalten wird, wirkt bei Weitem nicht so gut wie viele glauben. Boni sollten eine emotionale Komponente enthalten und vor allem dokumentieren, dass sie punktgenau in der Lage sind ihre Mitarbeiter/-innen zu „beschenken“. Auch Social – oder Community Elemente können interessant sein: Warum nicht eine eigene digitale Währung erfinden – z.B. „Goodies“, die Mitarbeiter/-innen übers Intranet an ihre Kollegen/-innen weitergeben können – als Belohnung oder einfach als Zeichen der Anerkennung. Teams, die projektbasiert zusammenarbeiten, könnten so z.B. „Goodies“ für besondere Leistungen verteilen. Irgendwann werden die „Goodies“ schließlich in Euro verwandelt.
Immer mehr Unternehmen beschäftigen befristete Fachkräfte, Zeitarbeiter/innen oder Freiberufler/innen. Deshalb müssen sich traditionelle Konzepte ändern, die nur auf Festangestellte ausgerichtet sind. Um die besten Talente aus einer wachsenden Community von befristeten, freiberuflichen oder Zeitarbeitern/Zeitarbeiterinnen zu binden, müssen Sie die traditionelle Wahrnehmung grundlegend überdenken.
Vor allem müssen Sie verstehen, dass Instrumente zur Flexibilisierung nicht in erster Linie dem Unternehmen dienen sollten, sondern den Mitarbeiter/innen. Die Diskussion ist oft leider immer noch vom Bild des industriellen Facharbeiters geprägt, der davon träumt sein Leben, am Band zu verbringen und ewig in derselben Firma zu arbeiten.
Das ist eine virtuelle Diskussion, die immer wieder die Vergangenheit heraufbeschwört, um ein kleiner werdendes Klientel zu befriedigen.Tatsächlich wollen viele jüngere Arbeitnehmer/-innen, vor allem in „hippen“ Branchen, keine traditionelle Festanstellung. Sie wollen einen Erwerbsrahmen, der sich in ihr Leben integrieren lässt. Da die Auswahl für Talente momentan groß ist, fallen Sie hinten runter, wenn Ihre Antwort auf alles „5 Tage 40/35 Stunden festangestellt“ ist. Das wird bald nur noch für Ihre Roboter gelten.
Die gesamte Unternehmensstruktur muss daher in der Lage sein, alle Mitarbeiter/-innen – ganz gleich in welchem Beschäftigungsmodell sie sich aktuell befinden – gleichermaßen einzubinden, um unter den Bedingungen erhöhter Flexibilität eine konsistente Unternehmensstruktur zu gewährleisten.
Im Jahr 2016 setzten sich VR und AR in der breiten Öffentlichkeit durch. Diese Technologien haben das Potenzial, jeden Aspekt des modernen Lebens zu beeinflussen – von unseren Lern- bis hin zu unseren Einkaufsmethoden. Pokémon Go? Nur ein Abklatsch dessen, was kommt! Stellen Sie sich mal die Möglichkeiten im Bereich Einstellungsverfahren, Probearbeiten, Homeoffice etc. vor.
Die Deutsche Bahn setzt VR ein, um neuen Mitarbeitern ihren Arbeitsalltag als Lokführer näherzubringen. Die Commonwealth Bank of Australia nutzt VR Careers Experience, um den Rekrutierungsprozess zu verbessern. Sie könnten Bewerbern z.B. eine spannende Zeitreise durch die Unternehmensgeschichte anbieten, die da in einem virtuellen Büro-Rundgang in der Gegenwart mündet.
Angesichts der demografischen und technologischen Entwicklungen scheint es nur logisch, im Recruitment spieltypische Elemente einzusetzen. Genial: Die französische Bahngesellschaft SNCF bot schon 2014 mit dem Recruiting-Game „The Most Serious Game Ever“ einen Aproach: 5.000 Teilnehmer/innen versuchten auf einer eigens entwickelten Website, komplexe wissenschaftliche und mathematische Probleme zu lösen. Insgesamt dauerte „The Most Serious Game Ever“ 6 Monate. 17 Teilnehmer/innen gelang es, die schwierige Challenge zu bewältigen. 10 von ihnen erhielten einen Job bei der Bahngesellschaft.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat übrigens ebenfalls eine ganz besondere und richtig spannende Methode, um geeignetes Personal zu finden: Die angehenden „Staats Hacker“ müssen eine „Forensik Challenge“ lösen: Man lädt sich ein Image zur Virtualisierung runter und kann sofort loslegen. Das ist nicht nur für den BND cool, sondern auch für die Bewerber/innen. Denn diese durchleben quasi einen Probe-Arbeitstag mit einer jobtypischen Aufgabe.
„Lebenslanges Lernen“ ist zugegebenermaßen fast schon zum völlig beliebigen Schlagwort verkommen. Doch auch hier können Sie sich als Arbeitgeber/in zukunftsorientiert positionieren. Bieten Sie nicht nur klassische Weiterbildung an, sondern nutzen Sie auch hier die Möglichkeiten, die neue Technologien und Vernetzung bieten. Setzen Sie auf selbstorganisiertes Lernen und bieten Sie den dafür notwendigen Freiraum.
Weiterbildung sollte immer zuerst an den Interessen ihrer Mitarbeiter/innen anknüpfen. Aus den Interessen des/der Mitarbeiters/in können Sie dann den konkreten Bezug zum Unternehmen herstellen. Bildungsinhalte müssen über Ihr Unternehmen hinaus interessant sein, nur so haben Ihre Mitarbeiter/innen das Gefühl, wirklich was für sich selbst – also über das Angestelltenverhältnis hinaus – mitzunehmen.
Es ist unumgänglich, dass Sie sich Daten Ihres Unternehmens bzgl. HR anschauen und auswerten. Achten Sie dabei auf die Metaebenen, die sich in den Daten verbergen können. „Data Driven Recruiting“ – dies ist die konsequente Ausrichtung des Recruiting-Prozesses auf die Nutzung von Daten für die anstehenden Entscheidungen. Dies bedeutet eine Abkehr von Einstellungen auf Basis von „anekdotischen“ – vermeintlichen Information, Intuition/Bauchgefühl. Data Driven Recruitment befindet sich in Europa zwar noch in den Kinderschuhen, aber wer die Daten zu seinen HR Aktivitäten kennt und sie als Basis für die Entscheidungen nutzt, hat im Wettbewerb um Talente die Nase vorn:
- Woher sollen die Daten kommen?
- Welche Daten können im Recruiting verwendet werden?
- Welche Recruiting KPIs verwenden andere Unternehmen?
- Was sind passende KPIs?
- Wo sollen wir anfangen und wo finden wir die Zeit, dies zu tun?
Next Steps: Glaubwürdigkeit und Differenzierung des Unternehmens bleiben wichtig und werden wichtiger. Der durch technologische und soziale Veränderungen bedingte grundlegende Wandel im Umgang der Menschen mit ihrer Arbeit, dem Arbeitsumfeld, wird sich stark auf ihre ganz grundlegende Perspektive als Unternehmen auswirken. Mit Ideen, die gestern vielleicht noch sinnvoll waren, gewinnen Sie bei den neuen Generationen keinen Blumentopf mehr. Die Digitalisierung schwebt dabei über allem – und sie wird tiefgreifend und nachhaltig auch den gesamten HR Bereich verändern. Es geht also nicht um einen kulturellen Wandel, wie wir ihn schon oft erlebt haben, sondern um so fundamentale Änderungen, dass es ein Vorher und ein Nachher geben wird.
Es werden sich die Unternehmen durchsetzen, die neue Tools und Konzepte am effektivsten nutzen, um ihre Position im „War of Talents“ zu stärken.