Innovation – und das echte Leben

Innovation ist das Schlagwort des Jahrzehnts – kein Meeting ohne Innovation. Kurz gesagt: „Innovation“ ist mindestens an der Schwelle zum Buzzword angelangt und es wird Zeit, einige Mythen rund um diesen Begriff zu entlarven, um ihm wieder eine sinnvolle Bedeutung zu geben.

Mythos 1: Innovation geschieht über Nacht

Airbnb, Uber und Co. – alles Unternehmen  (und ja klar, äußerst  innovative Unternehmen!), die über Nacht aus dem tiefsten Silicon Valley zum Senkrechtstarter mutierten.

Mehr als drei Jahre brauchte Airbnb

Die Wahrheit ist jedoch eine Andere: Mehr als drei Jahre brauchte Airbnb, um aus der Basis Finanzierung von $ 7,2 Millionen zu wachsen. Während dieser Zeit – bis heute – hat das Unternehmen mehrere Durchläufe (Iterationen), Ausfälle und Verschiebungen in seinem Kernbusiness durchlaufen.
Das ist also kein Erfolg „über Nacht“ sondern ein relativ langer Lernprozess, der auch von Rückschlägen und Niederlagen gekennzeichnet ist. Airbnb zeigt, dass Innovation viel eher ein dynamischer Prozess als ein plötzliches Ereignis ist.

Smart-Home Baustein „Nest Thermostat“

Ein weiteres Beispiel ist der Smart-Home Baustein „Nest Thermostat“. Nest entwickelte schrittweise die Technologie und setzte den Fokus auf den Aspekt der Kundenerfahrung, um ein einfaches, menschliches, benutzerfreundliches Produkt zu entwerfen und zu bauen.

Der Einsatz der Firma hat sich gelohnt. Seit der Übernahme durch Google im Jahr 2014 für $ 3,2 Milliarden hat Nest weitere Produkte entwickelt, die alle die Kundenerfahrung mit dem Produkt in den Mittelpunkt stellen.

In jedem Schritt: Learnings

Auch im Falle von Nest ist also die iterative Vorgehensweise und damit die Prozessstruktur der Innovation entscheidend. Durch die schrittweise Entwicklung sind in jedem Schritt Learnings enthalten, die spätestens in der nächsten Runde selbst Teil der Wertschöpfungskette werden.

Mythos 2: Innovation ist teuer

Die Bedeutung der Innovation im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist auch in schwerfälligen und traditionell agierenden Unternehmen angekommen. Jedoch sind Innovationsprozesse, die hier häufig mit den bekannten Strukturen initiiert werden, oft teuer und die Phase bis zur Vermarktung dauert zu lange.

Konferenzraum als „Innovationsraum“

Da wird dann ein ganzer Konferenzraum als „Innovationsraum“ umfirmiert, damit sich dort das „Directorsboard of Innovation“ treffen kann. Die Wände behängt mit Post-Its, Gantt-Diagramme und dergleichen runden die Tapete ab. Es sieht alles sehr agil aus, doch ach, die Vorgaben kamen von oben, und man durfte sich keine Fehler leisten. So wurden am Ende doch detaillierte Pläne erstellt, Sicherheit, Kommunikation, Hardware-Investitionen, etc. – das ganze Wasserfallpaket.

Und es kam, wie es kommen musste

Und es kam, wie es kommen musste: Was in guter Absicht begann, verwandelte sich in einen erheblichen Kostenfaktor für die gesamte Firma. Und schlimmer: Nach Jahr und Tag war immer noch nix vermarktungsreif.

Von echten Start-ups lernen

Von echten Start-ups zu lernen, macht also Sinn: Schlanke Anforderungen, schnelles Prototyping, Try and Error mit schneller Validierung. So kann man günstiger und schneller einen Prototypen für ein tragfähiges Produkt liefern. Dieses wird dann unter Marktbedingungen und mit Kundenfeedback zur Vervollkommnung weiter entwickelt. Auch die Investitionen lassen sich so portionieren und besser steuern.

Mythos 3: Für die Ideenfindung gibt es die Innovationsabteilung nach DIN 4739 Strich 11

Forbes Autor George Bradt widmete dem CINO einen Artikel mit dem Titel: „Warum sollten Sie Ihre Chief Innovation Officer beseitigen.“ 
Das hört sich ziemlich radikal an. Der Kern ist: Nicht eine Person und/oder Team innerhalb einer Organisation sollte allein verantwortlich für Innovation sein. Innovation ist wichtig für alle und es ist wichtig, dass alle am Innovationsprozess beteiligt sind.

Mehr oder weniger kunstvolle Umsetzung von Ideen

So gesehen ist Innovation lediglich die – mehr oder weniger – kunstvolle Umsetzung von Ideen, die bereits im Universum eines Unternehmens herumschweben. Um dies effektiv als Teil einer Wertschöpfungskette einzubauen ist eine Kultur erforderlich, die das Versagen toleriert, den Wandel erträgt und die Mitarbeiter befähigt über ihre Arbeit nachzudenken.
Diese unternehmens-kulturellen Aspekte sollten in konkrete Prozesse münden, die die Organisation in die Lage versetzen, schnell mit kleinen Prototypen zu testen, was wirklich sinnvoll ist.
Wenn Unternehmen also beginnen, „Innovation“ als einen organisationsweiten, iterativen Prozess zu betrachten, werden viele der weit verbreiteten Vorurteile, die mit solch einem „Buzz-Wort“ verbunden sind, zu reiner Folklore.