Dominik van Engelen arbeitet seit 2012 als User Experience Berater und Coach. Mit seiner DvE UX Academy unterstützt er Kunden, von kleinen Startups bis zu weltweit agierenden Konzernen beliebiger Branchen, weltweit bei der nutzerzentrierten Gestaltung ihrer Produkte. Dabei hat er sich insbesondere auf Wissenstransfer und UX Workshops spezialisiert. Bei der GFU gibt er sein Wissen als UX-Experte in verschiedenen UX- & Design Thinking Schulungen weiter.
Was bedeutet User Experience, wo findet man sie und wo wird UX oft vernachlässigt?
User Experience beschreibt die Erfahrungen des Nutzers bzgl. Erwartungen, Umgang und Reflexion mit einem (häufig digitalen) Produkt oder Service. Wir sprechen also über eine emotionale Komponente, die maßgeblich beeinflusst, ob der Nutzer ein Produkt als hilfreich und wertvoll empfindet. Der Begriff wird hauptsächlich für digitale Produkte (Software, User Interfaces) verwendet, lässt sich aber auch auf physikalische Produkte ausweiten. Vernachlässigt wird gute UX leider immer noch in vielen Firmen – denn nur weil ein Produkt viel Funktionalität beinhaltet garantiert das noch keine zufriedenstellende Bedienung durch den Nutzer.
Webseiten werden immer komplexer, welche Rolle spielt User Experience beim Webdesign?
User Experience Design hilft dabei Produkte so zu gestalten, dass sie mit unserer Wahrnehmung und intuitiver Denkweise im Einklang sind. Unser Gehirn ist durch die Evolution so gestrickt, dass es gewisse Informationen als zusammengehörig wahrnimmt. Kennt man diese Regeln, so kann man seine Webseiten und Produkte dementsprechend konzipieren. Dadurch wirken diese automatisch intuitiver als Produkte ohne intentional gestaltete UX. Allein schon aus kommerzieller Sicht ist das extrem wichtig: So verkaufen bespielsweise UX-optimierte eCommerce-Seiten im Schnitt 70% mehr als ihre Konkurrenz ohne UX-Optimierung.
Wie schwierig ist es, User Experience in bestehende Prozesse im Unternehmen zu etablieren?
User Experience ist ein Paradigmenwechsel in der Denkweise. Wenn man UX richtig angeht, dann wird eine UX-Denkweise zum gelebten Alltag. Dafür bedarf es eines grundlegenden Verständnisses, was gute UX ausmacht, warum es sich lohnt so zu arbeiten und an welchen Stellen man umdenken sollte. Dabei stehen User Experience zu anderen Prozessen, wie beispielsweise SCRUM gar nicht im direkten Widerspruch. Vielmehr gilt es die Vorteile von nutzerzentrierter Denkweise in der DNA des Unternehmens zu verankern.
Was hat ein Unternehmen davon, wenn es User Experience in bestehende Prozesse integriert?
Viele Unternehmen denken User Experience würde mehr Geld kosten als es einbringt, aber diese Annahme ist mittlerweile widerlegt. Typischerweise investiert man am Anfang mehr Zeit und Ressourcen, um die Nutzungsanforderungen besser zu verstehen. Das führt aber im Nachhinein zu einer erheblichen Reduktion des Entwicklungsaufwands. Laut einer Metastudie reduziert UX die Supportkosten um bis zu 90%, Entwicklungskosten um 50%, verbessert die Conversion-Rate, wird als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal einer Marke gesehen und bringt langfristig ein Return-on-Investment von 1:50! Es gibt also viele gute Gründe sein unternehmen nutzerzentriert(er) auszurichten.
Welche Rolle spielt dabei Design Thinking?
Design Thinking ist ein Prozess, der dabei unterstützt, nutzerzentrierte Prinzipien und Methoden zu leben. Dabei handelt es sich nicht um eine einzelne Methode, sondern um eine Methodensammlung, bei der die einzelnen Methoden synergetisch ineinandergreifen. Design Thinking umfasst dabei viele Kompetenzfelder und bietet einen strukturierten Prozess. Allerdings ist es wichtig die nutzerzentrierten Ansätze im eigenen Unternehmenskontext zu erlernen anstatt blind einem Lehrbuch zu folgen. Ich empfehle daher die eigentliche Anwendung mit Hilfe einer erfahrenen Fachkraft im Unternehmen zu erfahren und zu erlernen.
Welche UX-Methoden haben sich in der Praxis bewährt?
Die Wahl der richtigen UX-Methoden kommt auf die individuelle Situation des Unternehmens an. Um den Nutzungskontext zu verstehen bieten sich beispielsweise nutzerzentrierte Anforderungsanalysen in Form von Interviews und Teilnehmenden Beobachtungen an. Dieses Wissen lässt sich sehr effektiv in Form von Customer Journey Maps und Personas kommunizieren. Kennt man die Anforderungen, so sind Kreativ- und Ideation-Techniken sehr hilfreich. Außerdem sollte man erarbeitete Konzepte und Lösungen auch immer mit echten Nutzern in Form von Nutzerstudien testen.
Was sind typische Fehler bei der Einführung eines User Experience Prozesses?
Der wahrscheinlich häufigste Fehler ist anzunehmen man sei selbst ein repräsentativer Nutzer seines eigenen Produkts. Dafür gibt es sogar einen eigenen Fachbegriff: den false consensus effect. Dadurch kommen Hersteller eines Produkts / einer Dienstleistung schnell zu falschen Schlussfolgerungen, ohne ihre Annahmen lösungsneutral zu testen. Der erste Schritt in die richtige Richtung beginnt also mit der Erkenntnis „You are not the user“.